Montag, 2. Juni 2014

HEINE UND DER "TRANSZENDENTALE" DR. SAUL ASCHER: ES GIBT DURCHAUS KEINE GESPENSTER

Abstraktion und idealistische Überhöhung in der deutschen Philosophie forderten stets HEINES Spott heraus. Eine besonders geglückte Persiflage findet sich in der "Harzreise", wo er den Kantianer Dr. Saul Ascher "auseinandernimmt". Mit besagtem Herrn traf sich Heine hin und wieder im Café Royal in Berlin, wo er seinen Mittagstisch hatte:
"Während ich gut aß und trank, demonstrierte er mir fortwährend die Vorzüge der Vernunft. Gegen das Ende seiner Demonstration pflegte er nach seiner Uhr zu sehen und immer schloß er damit: 'Die Vernunft ist das höchste Prinzip!'- Vernunft! Wenn ich jetzt dieses Wort höre, so sehe ich noch immer den Doktor Saul Ascher mit seinen abstrakten Beinen, mit seinem engen, tranzendental grauen Leibrock, und mit seinem schroffen, frierend kalten Gesichte, das einem Lehrbuche der Geometrie als Kupfertafel dienen konnte. Dieser Mann, tief in den Fünfzigern, war eine personifizierte gerade Linie. In seinem Streben nach dem Positiven hatte der arme Mann sich alles Herrliche aus dem Leben herausphilosophiert, alle Sonnenstrahlen, allen Glauben und alle Blumen, und es blieb ihm nichts übrig als das kalte, positive Grab."
Als ihn Heine einst besuchen wollte, erfuhr er, daß der Doktor verstorben sei. In derselben Nacht noch erscheint ihm der Vernunftdoktor als Gespenst. Als er Heine sieht, nähert er sich und beginnt freundlich zu sprechen:
"Fürchten Sie sich nicht und glauben sie nicht, daß ich ein Gespenst sei. Es ist Täuschung Ihrer Phantasie, wenn sie mich als Gespenst zu sehen glauben. Was ist ein Gespenst? Geben Sie mir eine Definition? Deduzieren Sie mir die Bedingungen der Möglichkeit eines Gespenstes? In welchem vernünftigen Zusammenhang stände eine solche Erscheinung mit der Vernunft? Die Vernunft, ich sage die Vernunft.' -Und nun schritt das Gespenst zu einer Analyse der Vernunft, zitierte Kants 'Kritik der reinen Vernunft', 2. Teil, 1. Abschnitt, 2. Buch, 3. Hauptstück, die Unterscheidung von Phänomena und Noumena, konstruierte alsdann den problematischen Gespensterglauben, setzte einen Syllogismus auf den anderen und schloß mit dem logischen Beweise: daß es durchaus keine Gespenster gibt."
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Silly-walks forever!

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